Was wäre die Welt ohne die Verrückten, die Kreativen, die sich immer wieder Dinge vorstellen können und sie einfach machen... Ganz schön grau. Und nur, weil es etwas noch nicht gibt, heißt das ja nicht, dass es nicht geht. Irgendwann hat irgendwer irgendwo einfach rumprobiert und eine Idee in die Tat umgesetzt. Welcome to the coolest festival ever - the Ice Musik Festival in Norway!
Als ich zufällig bei meiner spärlichen Norwegen-Vorbereitung im Januar 2017 Bilder im Netz gesehen habe vom Ice Music Festival wusste ich sofort: das will ich unbedingt erleben! Alle Instrumente sind aus Eis!! Hab mich schon bei den Fotos fast gar nicht mehr eingekriegt.... Und mich spontan beworben, weil ich gesehen habe, dass sie Volunteers suchen. War aber leider zu kurzfristig und schon alles vergeben. Macht nichts, dann eben nur gucken. Geplant war, dass ich eine Reisefreundin aus Kanada ein paar Tage in Nordnorwegen besuche, wo sie mit Schlittenhunden arbeitet. Dann weiter durchs Land, wie es sich ergibt. Rückflug habe ich so gelegt, dass ich's zum Ice Music Festival in Geilo (jaja, so heißt der Ort!) schaffe und von dort heim. Geilo ist ein kleiner Skiort in der Nähe von Oslo.
Und damit direkt zum nächsten Plus: hatte mir extra einen Pistentag zum Snowboarden eingeplant. Das Skigebiet von Geilo ist klein, aber herrlich! Toller Schnee, breite Pisten, super Blick über das Örtchen und den See. Nicht überlaufen, fast nur Einheimische, zumindest an diesem Tag Anfang Februar 2017. Gibt auch ein paar Hütten, aber mehr zur Stärkung. Einkehrschwünge sind in Norwegen nicht so partybehaftet, wie wir das vielleicht sonst aus anderen Skigebieten kennen. Hatte super Glück mit dem HI-Hostel, man wohnt wunderschön in kleinen Holzhütten, wie in einem Dorf. Habe mit zwei Mädels aus Brügge eine Hütte geteilt und da die beiden richtige Pistenbabes sind und extra zum Skifahren hier waren, sind wir zusammen los und hatten einen tollen Tag im Schnee und auf den Brettern! Thanks Amy and Kimi!
Zurück zum Ice Music Festival. Auf einer verschneiten Wiese wird die Schneebühne gebaut und zwei Iglus, in denen Konzerte stattfinden. Wie immer bei so einer besonderen, kleinen Veranstaltung, bei der alle mit dem Herzen dabei sind, ist die Stimmung ganz besonders. Dazu kommt hier in Norwegen, dass die Bedingungen extrem sind - für alle Beteiligten. Die Volunteers aus England, Deutschland, Norwegen, Finnland und anderen Ländern arbeiten den ganzen Tag draußen bei teilweise minus 20 Grad! Genauso die Musiker, die ihre Instrumente jeweils am Tag der Show bauen oder einen Tag davor anfangen. Proben: nicht drin. Hier ist alles für den Moment gemacht. Aus der Natur werden die Rohstoffe geliehen - und nachher wieder an sie zurückgegeben. Das erzählt mir Terje Isungset. Terje ist Norweger. Künstler. Musiker. Anerkannter Jazzperkussionist. Und Terje ist der Erfinder des Ice Music Festivals. Es ist sein 12tes.
Im Interview erzählt mir Terje, dass Eis wie Wein sei, es gebe gute und schlechte Jahrgänge. Und: es sei einfach Wasser, das wichtigste Element, das wir auf der Erde haben. Das fasziniert ihn. Genauso, dass der Klang immer unterschiedlich ist. Künstliches Eis wiederum habe er überall auf der Welt getestet, es klinge immer gleich. Tot. Und er habe viel vom Eis gelernt. Dass Dinge vergänglich sind, dass der Moment zählt. Zwischen zwei Tagen oder mal nur drei Stunden dauert es, ein Instrument zu bauen. Und jedes Jahr werden neue Instrumente erfunden. Weltpremiere dieses Mal: das erste Saxophon aus Eis!
Ich darf schon beim Aufbau zugucken und Fotos machen, dank Emile. Er kommt aus England, ist Fotograf und managt die Presse- und Medienfragen und vieles mehr beim Ice Musik Festival. Er ist ständig überall, findet aber auch immer Zeit für ein kurzes Gespräch oder ein paar Fototipps. Wenn ihr auf seinen Namen klickt, kommt ihr zum instagram-Profil vom Festival. Wieso haben wir eigentlich kein Foto zusammen gemacht Emile?? :)
Kälte tut weh. Eis bricht leicht. Es gibt viele Herausforderungen beim Aufbau und während die Instrumente gemacht werden. Gearbeitet wird mit Hammer und Meißel, Bunsenbrenner und kaltem Wasser, Kreissäge und was man noch so braucht, um Eis in Form zu bringen. Minna aus Finnland wechselt immer die Hände, während sie ihr Saiteninstrument einstellt. Handschuh an, kurz warten, Handschuh aus, weitermachen. Das wird kein Konzert, wo die Musiker oder das Publikum in schicker Abendgarderobe aufschlagen. Dicke Lagen, Schneehose, Mütze, und wann immer es geht: Handschuhe. Die Temperaturen schwanken zwischen minus 10 und minus 20 Grad. Eigentlich ja gut für das coolste Festival der Welt...
Ein paar Tage vor Festivalbeginn startet der Aufbau. Zwei Iglus werden gebaut, wo zwischen 20 und knapp 50 Leute reinpassen. Studenten aus Bergen helfen mit. Und Volunteers aus verschiedenen Ländern. Eine große Open Air Bühne gibt es auch, mit Zuschauerbänken aus... Schnee. Die Musik: mal sehr experimentelle Improvisation, mal Folk, mal groovy, klassisch. Jeder Auftritt ist ein Experiment. Keine Ahnung, wie das Instrument letztlich wirklich klingt. Und auch, wie lange die Musiker die Kälte aushalten. Bevor ihr fragt: die Mundstücke bei den Bläsern sind nicht aus Eis. ;)
Während eines Konzerts im kleinen Iglu merke ich, wie laut wir eigentlich sind, dass alles ein Geräusch macht. Beim Umdrehen knirschen die Füße im Schnee, beim Griff in die Tasche raschelt der Stoff. Bei der Kamera klickt der Auslöser. Alle werden vorher gebeten, Kameras und Handys auf stumm zu schalten und möglichst leise zu sein. Und auch das macht die Magie aus, sobald die ersten Töne aus dem Eishorn erklingen. Alle sitzen und stehen ganz still, halten die Luft an, lauschen und staunen. Nach 20 Minuten ist das erste Konzert vorbei, der Applaus laut und herzlich. Klatschen macht ja auch warm. Rüber geht's in den nächsten Iglu. Und ich höre: deutsche Stimmen. Eine Gruppe aus Hamburg ist da, schon zum zweiten Mal. Sie kommen zum Langlaufen und für das Festival, erzählen sie mir. "Das ist ein magischer Moment, der Klang, die Instrumente, die Atmosphäre im Iglu." Sie haben einen Festivalpass für alle drei Tage.
Es war magisch, herzlich, einzigartig, eiskalt und wunderschön. In diesem Jahr findet das Ice Music Festival wieder statt. 50 Kilometer weiter, in Finse. Finse ist nur mit der Bahn, zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar, der Bahnhof ist mit über 1.200 Metern der höchstgelegene in Nordeuropa. Und ich wäre gerne dabei. Danke, tusen takk, für ein fantastisches Erlebnis in 2017!
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Steppenroller.de (Dienstag, 30 Januar 2018 18:43)
Spannender Beitrag - war bestimmt echt klasse, das Konzert himmlisch, auch den Aufbau hätte ich gerne life erlebt-cool. Aber eigentlich war ich ja durch Deine schöne Beschreibung dabei. Aber das Snowboard hätte ich gegen eine Sauna getauscht, da bleiben die Knochen heile �LG Kirsten